Zürich
Die ersten Zürcher Briefmarken erschienen am 1. März 1843
Zürich war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine weitgehend selbstständige Stadtrepublik mit Wehr-, Münz-, Zoll- und Posthoheit. Durch die von Napoleon vermittelte Mediationsakte entstand 1803 der Kanton Zürich als neues, eigenes Staatswesen in den noch heute gültigen Grenzen mit eigener Kantonsregierung. In Parlament und Regierung war nun neben der Stadt Zürich auch das Zürcher Umland vertreten. Die erste moderne Verfassung des Kantons nahm 1831 Grundsätze aus der Französischen Revolution auf, dazu gehören Gewaltentrennung, Gleichberechtigung, Gewerbe- und Pressefreiheit. In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann der Aufstieg Zürichs zur schweizerischen Wirtschaftsmetropole, gefördert durch die Gründung von Banken und Versicherungen sowie wachsenden Handelsbeziehungen nach Übersee.
Vereinfachte Briefkommunikation als Teil liberaler Reformen
Offen für den Fortschritt gab die unabhängige Zürcher Kantonspost nach dem Vorbild des wirtschaftlich aufstrebenden Großbritanniens im März 1843 erstmals Briefmarken zur Vorausfrankierung von Briefen heraus. Briefe mit 4-Rappen-Lokalporto (Local Taxe) oder 6-Rappen-Fernporto (Cantonal Taxe) konnten an jeden Ort im Kanton Zürich einfach und kostengünstig versendet werden.
Die unkomplizierte Briefkommunikation durch die Einführung der Briefmarke war ein Teil der liberalen Reformen, die auch die Wirtschaftsentwicklung im Kanton begünstigten. Sichtbares Zeichen war die Eröffnung der Spanisch-Brötli-Bahn 1847, der ersten Eisenbahn von Zürich nach Baden.
Briefmarkenherstellung im Steindruck
Die ersten Zürcher Briefmarken von 1843 zu 4 Rappen und 6 Rappen stellte die Lithographische Anstalt Orell, Füssli & Co aus Zürich im Steindruckverfahren auf weißem Papier mit roten Unterdrucklinien her. Die roten Linien waren zunächst senkrecht, ab 1846 waagerecht ausgerichtet.
Entwertungsstempel in Rosettenform
Die Entwertung der Briefmarken erfolgte mit Stempeln in Form von Rosetten. In der Stadt Zürich verwendete man rote Stempelfarbe, in den Kantonsgemeinden kam schwarze Stempelfarbe zum Einsatz.
Einheitliche Bundesmarken und die Übergangszeit
Mit der am 12. September 1848 in Kraft getretenen Schweizerischen Bundesverfassung übernahm die neu geschaffene Bundesverwaltung am 1. Januar 1849 das alte kantonale Postwesen. Die Zeit war jedoch zu knapp, um die notwendigen organisatorischen Vorbereitungen für eine funktionierende Bundespost zu treffen. So blieb der Postbetrieb zunächst bei den einzelnen Kantonen.
Als im Juni 1849 ein gesamtschweizerisches Postgesetz mit einheitlichen Brieftaxen für das ganze Land verabschiedet wurde, waren noch keine einheitlichen Bundesmarken verfügbar. In der Übergangszeit gaben einzelne Kantone eigene Lokalmarken heraus. Ihr Wert lag bei 2 ½ Rappen, basierend auf der bundesrätlichen Verfügung vom 18. Januar 1850, die eine Portoreduzierung von 5 Rappen auf 2 ½ Rappen für Briefe innerhalb dicht bevölkerter Orte vorsah.
5-Rappen-Winterthur-Frankatur für Briefe jenseits der Stadt- und Ortsgrenzen
Im Februar 1850 gab die Zürcher Postverwaltung – den eidgenössischen Vorschriften folgend – eine 2½-Rappen- Briefmarke heraus, die sogenannte Winterthur. Sie war für die reduzierten Briefporti innerhalb größerer Ortschaften der Kantone Zürich, Zug, Schaffhausen und Thurgau vorgesehen. Da jedoch die Entfernungen selbst in Zürich, der größten Stadt des Postkreises VIII, in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch gering waren, warfen die meisten Bürger den Brief lieber selbst beim Empfänger in den Hausbriefkasten. So kamen die meisten Winterthur-Marken im Paar als 5-Rappen-Frankatur auf Briefen über die Stadt- und Ortsgrenzen hinaus bis zu einer Entfernung von 48 Kilometer zum Einsatz. Briefe mit höheren Portoraten der Winterthur-Marke gelten heute als größte Raritäten.
Zuschläge: Zürich
4 Rp. schwarz, allseits voll- bis breitrandig mit übergehender roter Rosette auf Faltbrief mit rotem Aufgabestempel "ZÜRICH 17/10 43" nach Rueschlikon mit nebengesetztem L2 "Nach Abgang der Post". Das Porto für Briefe außerhalb der Stadt Zürich betrug 6 Rp., daher neben der Marke handschriftlicher Vermerk "nicht richtig" und mit "2" Rp. nachtaxiert. Die Marke hat unten einen unauffälligen Papierkratzer, sonst einwandfrei; es sind bisher nur 7 nachtaxierte Briefe der 'Zürich 4' bekannt, dieser ist der einzig bekannte mit dem Stempel "Nach Abgang der Post", der nur in 1843 verwendet wurde. Ein sehr seltener und interessanter Brief; Fotoattest von der Weid (2006) (Mi. 35.000,-)
343. Heinrich Köhler-Auktion (2011)
Zuschlag: EUR 8.200,-
1843, 4 Rp. schwarz mit senkrechten Unterdrucklinien, Type II, rechts voll- sonst sehr breitrandig mit Zwischenlinien an 3 Seiten und farbfrisch mit sauber übergehend aufgesetzter roter Rosette und klar nebengesetztem roten DKr. "ZÜRICH 22 NOV. 1849" auf Briefstück (dieses zwischen Marke und Stempel gefaltet). Ein sehr schönes Stück der seltenen Marke in einwandfreier Erhaltung, Fotoatteste von der Weid (1994) und Marchand (2001)
373. Heinrich Köhler-Auktion (2020)
Zuschlag: EUR 6.500,-
6 Rp. schwarz mit senkrechten Unterdrucklinien, Type II, Pos. 70, farbfrisch und allseits voll- bis breitrandig mit sauber aufgesetzter schwarzer Rosette mit nebengesetztem sauberem DKr. "WINTERTHUR 20 3" (1844) auf kpl. kleinem Faltbrief nach Hirslanden; der Brief in den Faltungen brüchig bzw. gebrochen, sonst gute Erhaltung und sehr attraktiv; ein recht seltener Brief zwischen zwei Außengemeinden, sign. Moser und Fotoattest Marchand (2015)
361. Heinrich Köhler-Auktion (2015)
Zuschlag: EUR 1.200,-