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Die Inflationszeit (1916 – 1923)

Die Inflationszeit reicht von den letzten Jahren des Kaiserreiches bis in die ersten Jahre der Weimarer Republik. Aus philatelistischer Sicht rechtfertigt sich ein eigener Abschnitt für diesen Zeitraum.

Kostspielige Vorhaben der kaiserlichen Regierung wie der Flottenbau oder die Kolonialpolitik, sodann der Erste Weltkrieg und seine Folgekosten aus dem Versailler Vertrag wie auch ein Niedergang der Wirtschaft führten dazu, dass das inländische Preisniveau merklich anstieg. Moderat, aber spürbar, war dies ab August 1916 der Fall, sich beschleunigend dann bis 1922 und von da an bis November 1923 dramatisch in Form einer galoppierenden Inflation. Zunächst versuchte die Regierung, die Finanzierungslücken im Staatshaushalt durch zusätzliche Einnahmen zu schließen. Dazu wurde 1916 eine „außerordentlichen Reichsabgabe“ erhoben, die umgangssprachlich als „Kriegssteuer“ bezeichnet wurde. Diese führte zu einem ersten Preisschub. Für die breite Mehrheit der Bevölkerung ging damit eine gravierende Verschlechterung ihrer Versorgungslage einher. Mit der wachsenden Arbeitslosigkeit gerieten immer mehr Familien in Not. Die extreme Phase der Hyperinflation begann im August 1922 und endete mit der Einführung Neuen Reichsmark zum 15.11.1923.

Sammelgebiet „Inflation“

Die Ausgabepolitik und die Gebühren der Deutschen Reichspost waren bis Ende Juli 1916 über Jahre hinweg stabil geblieben. Dann aber erfolgte aufgrund des Reichsabgabengesetzes auch eine Erhöhung der Postgebühren. Diese Abgabe konnte mittels der neu erschienen Germania-Marken, aber auch mit allen anderen gültigen Marken, entrichtet werden. Die neuen Germania-Marken wurden ab dem 28.7.1916 verkauft und waren frankaturgültig, so dass der Ersttag dieser Marken (MiNr. 98-100) auch als Beginn des Sammelgebietes „Inflation“ anzusehen ist. Zeitlich endet es vor Einführung der neuen Währung am 1.12.1923 und damit mit der im November ausgegebenen Aufdruckserie (Mi.Nr. 332-337).

Insgesamt umfasst das Sammelgebiet damit 240 Hauptnummern des Michelkatalogs bei den Frei- und Sondermarken sowie 83 bei den Dienstmarken. Hans-Jürgen Wischnewski hat die Entwicklung plastisch beschrieben: 1922 schnellten die Portowerte in den Einhundertmarksbereich, im September 1923 überschritten sie die Tausenderschwelle. Briefmarken erschienen konsequent nur noch als Ziffernwerte. Was wertmäßig nicht mehr ausreichte, wurde durch Überdrucke gelöst. Ungebrauchte Briefmarken hatten nur noch einen geringen Wert, weil viele der Wertangaben bereits veraltet waren, wenn sie die Postschalter erreichten. Im Oktober 1923 wurden Millionenwerte für Porto fällig. Längst hatte man sich abgewöhnt, die Nullen in Ziffern anzugeben; die Angaben erschienen in den Worten „Millionen“ und „Milliarden“. Traurige Berühmtheit erlangte die Michel-Marke Nr. 330: sie ist mit 50 Milliarden Reichsmark wohl weltweit der höchste jemals herausgegebene Nominalwert.

Bekanntermaßen führen Not-, Kriegs- und Umbruchzeiten zu hochinteressanten Ausgaben, die Sammlern und Experten viel abverlangen. Genau das trifft für das Teilgebiet „Infla“ zu. Qualitätsmerkmale wie Zähnung, Durchstich, Zentrierung; Abstempelung, Farben, Markenpapier, Wasserzeichen, Gummierung und Bogenränder führen gerade bei diesem Sammelgebiet zu einer Vielzahl von Varianten. Hinzu kommen Abarten und Besonderheiten. Sammelwürdig sind ferner Paare und größere Einheiten mit und ohne Zwischensteg und bei den Ganzsachen besondere Einzel-, Mehrfach-, Misch-, Bunt- oder Satz-Frankaturen. Besonders für dieses Sammelgebiet gilt, dass bei seltenen und teuren Marken oder Ganzsachen der Nachweis einer Begutachtung durch einen ausgewiesenen Prüfer unabdingbar ist.

In der Infla-Zeit wurden ferner 6 Markenheftchen verausgabt (MH 10-15). Ab März 1921 kamen 9 Heftchenbogen mit 36 Blatt dazu (MHB 1-9, H-Blatt 1-36). Daraus ergaben sich diverse Zusammendrucke.

Zu gesuchten Raritäten dieses Sammelgebietes gehören Ganzsachen mit Oberrandstück (z.B. bei MiNr. 99, 104, 154, 224), die 40 Pf. Flugpostmarke von 1919 im schwarzgrünen Farbton gestempelt (MiNr. 112a), Einfach- und Mehrfach-Frankaturen der Michel-Marke Nr. 118, gestempelte waagerechte Zwischenstegpaare der Freimarkenserie von 1920, Probedrucke der MiNr. 138, Wasserzeichenabarten der MiNr. 152 Y, seltene Plattenfehler (z.B. MiNr. 240 I), gestempelte Marken mit seltenem Wasserzeichen (MiNr. 278Y) oder seltenem Farbton (MiNr. 154IIb, 309Bb; 315Ab, 325APb, 331a, 332AWb) sowie einige der sog. Lokaldrucke von 1923. Außerdem ist das Markenheft 10 von November 1918 selten und teuer.

Zuschläge: Die Inflationszeit (1916 – 1923)

8 Tsd. auf 30 Pfg., Wz. Waben, mit Stempel "DEUTSCH (LISSA) 19 9 23"
377. Heinrich Köhler-Auktion (2021)

Zuschlag: EUR 1.950,-


1920, Germania 2 Mark auf Fiskalmarken-Papier mit Wasserzeichen 'Kreuzblüten', farbfrisch und gut gezähnt, leicht bedarfsmäßig gestempelt. Es handelt sich hierbei um das erste aufgetauchte attestierbare Exemplar, das 1989 bei Ebel versteigert wurde und seitdem in der Sammlung Kirchner ruhte; es sind bis heute nur 2 weitere Stücke bekannt geworden. Infla-Seltenheit 1. Ranges, Fotoattest Dr. Oechsner BPP (Mi. 30.000,--)
338.Heinrich Köhler-Auktion (2009)

Zuschlag: EUR 38.000,-


2 Mio. auf 200 M. durchstochen in lebhaftorangerot, farbfrisch und mit sehr gutem Durchstich, mit Korbdeckel 200 Mio. M. mit Stempel "PLANEGG 13.11.23" auf Briefstück, tadellos, einer der schönsten Stücke dieser äußerst seltenen Farbabart; bisher sind nur wenige Exemplare bekannt, Fotoattest Weinbuch BPP (2017) (Mi. 17.000,-)
366. Heinrich Köhler-Auktion (2018)

Zuschlag: EUR 9.500,-