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Das Deutsche Kaiserreich (Mai 1871 – November 1918)

Der Norddeutsche Bund hatte den Weg für einen weitergehenden Zusammenschluss der Altdeutschen Staaten aufgezeigt. Die Verhandlungen dazu – unter Ausschluss von Österreich – endeten mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung, die sich nur unwesentlich von der des Norddeutschen Bundes unterschied und am 4.5.1871 in Kraft trat. Bereits im Januar desselben Jahres war der Preußische König Wilhelm I im Schloss von Versailles zum Deutschen Kaiser gekrönt worden. Kein Jahr später, nämlich genau zum 1.1.1872, vollzog sich die Einigung.

Es folgten etwa vier Dekaden Friedenszeit, in denen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur aufblühten. Innenpolitisch galt es, die Einheit im neuen Nationalstaat zu festigen. Schon bald herrschten stabile Verhältnisse, breite Schichten standen in Arbeit und Lohn, eine moderne Sozialpolitik sicherte sie ab, und den Menschen im Reichsgebiet ging es zunehmend gut. Außenpolitisch gelang es dem Kaiser und seinen Regierungen weitgehend, den Rückstand Deutschlands auf die Großmächte, insbesondere Frankreich und Großbritannien, aufzuholen. Im Hinblick auf Besitzungen im Ausland war das kaum möglich, aber immerhin erwarb das Deutsche Reich in dieser Zeit einige Kolonien („Schutzgebiete“) in Afrika und in Ostasien.

Solche und andere kostspielige Vorhaben der kaiserlichen Regierung, vor allem aber der menschenverachtende und ressourcenverzehrende Erste Weltkrieg, änderten innerhalb weniger Jahre diese Situation grundlegend. Die Umstellung der Produktion auf Rüstung und Kriegsbedarf ließ Mängel bei der alltäglichen Versorgung der Bevölkerung und damit deren Unzufriedenheit stetig ansteigen. Der Hungerwinter 1917/18 und die erfolglose Kriegsführung hatten das Ansehen von Kaiser Wilhelm II rapide sinken lassen. Doch obwohl sich der Matrosenaufstand in Kiel zur „Novemberrevolution“ im ganzen Reichsgebiet entwickelte, kam für den Kaiser ein Abdanken noch nicht infrage. Dafür sorgte dann überraschend sein Reichskanzler, Prinz Max von Baden, der eigenmächtig am 9.11.1918 in Berlin den Rücktritt des Kaisers verkündete sein Amt auf Friederich Ebert übertrug, während Wilhelm II sich außerhalb Berlins aufhielt. Knapp drei Wochen später – am 28.11.1918 – dankte der Kaiser selbst offiziell ab, nachdem er sich zuvor in die Niederlande abgesetzt und dort um Asyl gebeten hatte. Im November 1918 endete damit die Epoche des Deutschen Kaiserreiches.

Sammelgebiet Kaiserreich

Die staatsrechtlichen Grundlagen für das Post- und Fernmeldewesen im Deutschen Reich waren in der Reichsverfassung vom 16.4.1871 festgelegt. Mit dem Postwesen befasste sich der Art. 88 der Verfassung. Dort findet sich auch die rechtliche Basis für die bayerische und württembergische Sonderstellung im Postwesen, die am 31.3.1920 endete. Nahtlos gingen die bestehenden Einrichtungen ab Mai 1871 in das neue Reichspostministerium über. Damit umfasste das Reichspostgebiet das Gebiet des ehemaligen Norddeutschen Bundes, Elsass-Lothringen und Baden.

Das Deutsche Reich existierte bereits vor der Ausgabe eigener Marken am 1.1.1872, so dass bis dahin die Marken der Norddeutschen Post weiter verwendet wurden. Marken und Ganzsachen mit Abstempelungen aus diesem Zeitraum sind als sog. „Vorläufer“ der Reichspostphilatelie zu betrachten.

Der Michelkatalog umfasst für das Sammelgebiet 97 Hauptnummern bei den Frei- und Sondermarken sowie 14 bei den Dienstmarken. Tatsächlich lässt sich eine Vielzahl von Unterarten unterscheiden, bedingt durch Unterschiede bei Druckarten, Bildplatten, Überdruckplatten, Zähnung, Bogentrennung, Papier und Wasserzeichen, Gummierung und Farben. Für Sammlerinnen und Sammler ist die Unterscheidung gleichzeitig eine Herausforderung und Grund für Resignation. Für seltene Unterarten ist das Gutachten eines ausgewiesenen Prüfers unabdingbar.

Motiv der ersten Marken war ein „Adler mit Krone und Brustschild“, später als „Brustschild-Ausgaben“ bezeichnet (MiNr. 1-30). Ganz einheitlich waren sie jedoch nicht im gesamten Reichsgebiet, denn noch gab es verschiedene Währungen (Taler und Gulden), und so erschienen die Marken im Norden und in Elsass-Lothringen in Groschen und im Süden in Kreuzern. Zum 1.1.1875 wurde die einheitliche Währung Mark und Pfennig eingeführt, und mit diesen Währungseinheiten erschienen dann auch alle Briefmarken. Zum 1.7.1875 trat das Deutsche Reich dem Weltpostverein bei. Hierdurch wurde eine wesentliche Vereinfachung der Postgebühren im grenzüberschreitenden Postverkehr erreicht.

Dem Brustschildmotiv folgten Anfang 1875 das Motiv „Ziffer bzw. Reichsadler im Oval unter Krone mit Bändern“, die sog. „Pfennig“-Ausgabe“ (MiNr. 31-44), und im Oktober 1989 das Motiv „Wertziffer und Krone im Perlenoval; Reichsadler im Kreis“, die sog. „Krone/Adler“-Ausgabe (MiNr. 45-52). Einen Meilenstein setzte dann die Einführung der „Germania“-Marken zum 1.1.1900, denn diese Serie wurde zum Symbol für die Philatelie im Deutschen Kaiserreich (MiNr. 53-106). Sie überlebte dieses sogar, denn die letzten Germania-Marken verloren ihre Gültigkeit erst 1922.

Die Zeit des Kaiserreiches bietet philatelistisch zahlreiche Themen für Spezialsammlungen. Prominent ist das Teilgebiet „Brustschilde“ mit vielen Varianten an Farbabweichungen, Druckplattenfehlern, Zähnungslöchern, ungezähnte und verzähnte Stücke, Zahl der Zähnungslöcher und Schraubenkopfabdrücke. Bei den Frankaturen erfreuen sich Mischfrankaturen besonderer Beliebtheit, vor allem Kleiner und Großer Brustschild, Groschen- und Kreuzerwährung, Brustschild- und Pfennigmarken.

Ein anderes Teilgebiet sind die „Nachverwendeten Altdeutschland-Stempel“. Dabei geht es um die die zahlreichen Altdeutschland–Poststempel, die nach Gründung des Norddeutschen Postbezirks noch weit in die Zeit Deutschen Reichspost hinein zur Markenentwertung „nachverwendet“ wurden. So können aus 13 verschiedenen altdeutschen Posthoheiten nachverwendete Poststempel auf Brustschildmarken gefunden werden. Besonderes Interesse finden dabei die verschiedenen „Ablöse- und Übergangsstempel“, die auch auf Brustschilden zu finden sind. Bedauerlicherweise sind auch schon bei den Brustbildmarken kriminelle Prägungsfälschungen und andere Markenfälschungen bekannt wie etwa die „Elbinger-Postfälschungen“.

Ferner wurden während der Kaiserreichzeit 9 Markenheftchen verausgabt (MH 1-9). Hinzu kamen die Versuchsheftchen mit der MiNr. 56, die Vorlageheftchen der „Reichspostreklame“ sowie diverse Zusammendrucke.

Raritäten des Sammelgebietes sind einige postfrische Brustschild- und Pfennig-Ausgaben, die 18 Kr.-Marke auf Brief, Erstdrucke der 25-, 30-, und 40-Pf-Germania-Marken, die ungebrauchte 5 M-Marke von 1902 in den Farben gelblichrot und karmin sowie das sog. „Vineta-Provisorium“. Die ersten Markenheftchen wurden in der Zeit des Kaiserreiches herausgegeben; einige davon sind gesuchte Raritäten.

Erwähnt sei schließlich noch die enorme Entwicklung des Briefmarkensammelns in der Zeit des deutschen Kaiserreiches. So fand im Oktober 1884 die erste große Ausstellung statt, nämlich die „Internationale Postwertzeichen-Ausstellung“ in München. Verbunden mit der starken Resonanz beim Publikum war der Aufschwung des Briefmarkenhandels und regelmäßiger Versteigerungen. Die erste Briefmarkenauktion in Deutschland fand 1913 in Berlin bei der Firma Heinrich Köhler statt.

Zuschläge: Das Deutsche Kaiserreich (Mai 1871 – November 1918)

1872, 2 Gr. Essay dunkelgraublau, gezähnt mit erhabener Mittelfeldprägung auf ungummiertem Papier, tadellos, sehr dekorative Brustschild-Seltenheit, bisher ist nur dieses Exemplar bekannt, Abbildungsstück im Theuss-Handbuch (Band 3, Seite 3), signiert Bühler und Fotoattest Jäschke-L. BPP (2019), ex Kipping
371. Heinrich Köhler-Auktion (2019)

Zuschlag: EUR 32.000,-


1935, OSTROPA-Block ungezähnt mit Sonderstempel "KÖNIGSBERG (PR) OSTROPA 23.6.35"; das Wasserzeichen im Bogenrand teils leicht gestützt und kleiner unauffälliger Papierbruch im Rand hinterlegt; ungezähnte Stücke dieses Blockes sind außerordentlich selten, die meisten mehr oder weniger fehlerhaft, Fotoattest Schlegel BPP
336. Heinrich Köhler-Auktion (2009)

Zuschlag: EUR 21.000,-


1851/55, Wappenausgabe spätere Auflagen 3 Pfennige dunkelgrün im waagerechten Paar zusammen mit Johann ½ Neugroschen schwarz auf grau und 1 Neugroschen schwarz auf feuerrot, letztere links etwas berührt, sonst alle voll- bis breitrandig und farbfrisch mit Doppelkreisstempel "DRESDEN 10 10" auf größerformatigem Streifband der 7. Gewichtsstufe nach Prag mit rückseitigem Eingangsstempel. Die ½ Neugroschen in der rechten unteren Ecke winzigste Kratzspur, sonst einwandfrei, das Streifband Brieffaltungen außerhalb der Frankatur. Eine außerordentlich seltene Postvereins-Frankatur im Wechselverkehr mit dem Kaiserreich Österreich. Fotoattest Vaatz BPP (2020) Provenienz: Sammlung Horst und Arnim Knapp (346. Heinrich Köhler-Auktion, 2011)
375. Heinrich Köhler-Auktion (2020)

Zuschlag: EUR 4.200,-